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4.3. Die Sicht des Kollegiums

   (4.1 Acts und Facts)
   (4.2 EP an der Hannah-Arendt-Schule - Was bisher geschah)
4.3 Die Sicht des Kollegiums
        4.3.1. Auswertung der Fragebögen
        4.3.2 Die Ergebnisse der AG’s:
        4.3.3 Diskussion: Widersprüchlich, unreflektiert, dialektisch?
        4.3.4 Typologien
4.4 Die Sicht der Leitung
        4.4.1. Schulleitung
        4.4.2 Geschäftsführung
  (4.5 Konzeptionelle Überlegungen)

Nach Vorgesprächen mit dem Schulleiter habe ich dem Kollegium während einer Lehrerkonferenz den Vorschlag unterbreitet, eine Befragung im Rahmen meiner Diplomarbeit durchzuführen. Hierdurch wollte ich zum einen feststellen, welche Positionen zur EP bezogen werden. Zum anderen habe ich, in Übereinstimmung mit dem Schulleiter, die Befragung als Katalysator für den Prozess der Meinungsbildung und Entscheidung gesehen. Das Kollegium zeigte sich sehr offen und willigte ein. So konnte die Befragung in einer dafür reservierten Lehrerkonferenz während 90 Minuten durchgeführt werden.

Für das Ausfüllen der Fragebögen stand eine Einzelarbeitszeit von 40 Minuten zur Verfügung. Nach einer Pause wurde ebenfalls 40 Minuten in drei nach dem Zufallsprinzip eingeteilten Arbeitsgruppen an Hand von Fragen, die von mir vorgegebenen waren, gearbeitet. Die Reihenfolge der drei Fragenblöcke war in jeder Gruppe anders, um zu gewährleisten, dass zu jeder Frage verwertbare Ergebnisse erzielt werden, da häufig in AG’s nur die ersten Fragen intensiv bearbeitet werden. Die Fragen und der Zeitplan finden sich im Anhang.

In die Auswertung sind die Einzelfragebögen aller KollegInnen inklusive Schulleiter eingegangen - Ende des letzten Schuljahres waren dies 12, mittlerweile wurde noch ein Lehrer eingestellt - wobei eine Kollegin und der Schulleiter bei der Befragung nicht anwesend waren und mir die ausgefüllten Bögen nachreichten. Die schriftliche Beantwortung der Fragen, die ich den Arbeitsgruppen gestellt hatte, wurde mir ebenfalls nachgereicht; ich habe die Antworten des Schulleiters nicht in die Zusammenfassung der Arbeitsgruppenergebnisse aufgenommen sondern getrennt dargestellt, um die unterschiedlichen (Macht-)Positionen nicht unnötig zu vermischen.

Ich stelle zunächst die Ergebnisse der Befragung im wesentlichen unkommentiert dar und benenne zentrale Fragen des weiteren Klärungsprozesses, die sich aus der Auswertung ergeben haben. Einzelne mir interessant und wichtig erscheinende Aspekte diskutiere ich anschließend.

Bei einem weiteren Treffen ohne Schulleiter, ebenfalls in der für die Lehrerkonferenz reservierten Zeit, habe ich die Ergebnisse vorgestellt; einzelne Punkte wurden andiskutiert.

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4.3.1. Auswertung der Fragebögen

4.3 Die Sicht des Kollegiums
        4.3.1. Auswertung der Fragebögen
        4.3.2 Die Ergebnisse der AG’s:
        4.3.3 Diskussion: Widersprüchlich, unreflektiert, dialektisch?
        4.3.4 Typologien

Bei der Auswertung scheint es mir für den Klärungsprozess in der Schule wichtig, in welchen Dingen Übereinstimmung besteht, was konträr gesehen wird oder unklar ist und daher einer Diskussion bedarf. Ich habe dafür eine "Hitliste" erstellt, die in absteigender Reihenfolge dargestellt wird. Zu Grunde gelegt habe ich dabei den Absolutwert der Gesamtsumme, die sich aus den mit der Anzahl der Nennungen multiplizierten Bewertungszahlen errechnet. Ergibt sich diese Gesamtsumme aus einer einheitlich positiven oder negativen Wertung, so dient sie als Grundlage für die Erstellung einer Rangfolge, die sich aus den entsprechenden Gewichtungen ergibt, eben jene "Hitliste". Weichen die Anteile deutlich voneinander ab und liegen teils im positiven, teils im negativen Bereich, ergibt sich ein niedriger Gesamtwert, der auf Unstimmigkeiten oder Konfliktpotentiale hindeuten kann. Darauf wird besonders eingegangen und es wird die entsprechende Anzahl der Personen vermerkt. Die Ergebnisse finden sich in Tabellenfom im Anhang, wie auch die Zusammenfassung der schriftlichen Anmerkungen.

1. Die Einschätzung des allgemeinen Charakters von EP

Nahezu einmütig teilt man die folgenden Überzeugungen: Lernen in und mit der Natur bietet eine Chance gegen "Zivilisationskrankheiten" wie z.B. Fernsehen oder Gameboy. Durch die Betonung von Körper und Bewegung hat EP eine kompensatorische Funktion in der Schule. Das Erleben und Lernen im (existenziellen) Grenzbereich ist von besonderer Tiefe und bleibt lange haften, wobei angemerkt wurde, dass dies auch Konsequenzen bzgl. der längerfristigen Nachbetreuung haben muss.

Dass "Ernstsituationen" Herausforderungscharakter haben, finden fast alle, dass dies aber auch "Abschreckung" bedeuten kann, wurde ergänzt. Auch wenn eine Mehrheit (9) in der EP ein Arrangement der Ungewissheit sieht, und eben dies "offenes" Lernen ermöglicht, so fürchtet gleichzeitig die Hälfte, dass die Ergebnisse unkalkukierbar sind und SchülerInnen wie LehrerInnen verunsichert werden. Mehrfach wurde hierzu erläutert, dass es darauf ankommt, wie EP gestaltet ist und wodurch die sichere Basis gewährleistet werden kann.

Ansonsten finden alle, dass Lernen durchaus Spaß machen darf, drei sind sogar der Meinung, Lernen solle immer Spaß machen. Dass SchülerInnen durch EP einen Motivationsverlust für die Notwendigkeiten des Lebens erleiden, hält die Mehrheit zwar für unwahrscheinlich, drei halten es aber durchaus für denkbar.

2. Vermutete Effekte im Hinblick auf SchülerInnen

Allgemeine Lernziele

werden so geordnet: Lernen, Ängste zu überwinden, Grenzen zu überschreiten, Erprobung des Umgangs mit Risiken, Erziehung zu ökologischem Bewusstsein, Stärken (und wie angemerkt wurde Schwächen) entdecken, Kennenlernen selbst- und gesellschaftsverträglicher Formen von Freizeitgestaltung, wobei 2 Personen hierin eher riskante Unternehmungen sehen, die den SchülerInnen nicht unbedingt nahegebracht werden sollten. Eher schwach ausgeprägt ist die Meinung, EP könne einen Weg zu Ruhe und Besinnung weisen. Die Hälfte betrachtet EP als Suchtprävention, ebenfalls fast die Hälfte (5, mit 3 Überschneidungen zur Suchtprävention!) sieht die Gefahr einer Förderung der ständigen Suche nach dem ultimativen Kick: schneller, höher, weiter, higher....

Individuelle und gruppenbezogene Ziele

finden wie folgt Übereinstimmung: Verantwortung für sich und andere übernehmen, sich und andere erfahren, spüren, bewegen, wahrnehmen, Ängste zeigen, Ängste überwinden, den Sinn (sozialer) Regeln erfahren, MitschülerInnen stärken und sich stärken lassen, Stärkung von Selbstbewusstsein und Persönlichkeit, Abbau von Berührungsängsten.

Dass Gruppendruck entsteht, der SchülerInnen erschwert, zu einer eigenen Entscheidung zu kommen, fürchten die meisten (10). Fast genauso viele (9) haben die Befürchtung, dass unsportliche und ängstliche SchülerInnen verstärkt Misserfolgserlebnisse haben könnten. Dass die Aufarbeitung der eigenen Geschichte, von Sozialisationsproblemen, mit Hilfe von EP gelingen kann, wird von 5 Befragten bezweifelt.

Was Gruppenprozesse betrifft, so sind sich die LehrerInnen einig, dass ein intensives Kennenlernen ermöglicht wird, wobei die Hälfte des Kollegiums nicht ausschließen will, dass dadurch unkontrollierbare gruppendynamische Prozesse ausgelöst werden könnten.

3. Überprüfung der Effekte

Dieser Themenkomplex enthielt keine Vorgaben, sondern war als frei zu beantwortende Frage gestellt und lautete: "Sollen diese Effekte überprüft werden? Wie könnte das geschehen?"

Eher unklar ist im Kollegium, ob und wie eine Überprüfung der Überzeugungen, Hoffnungen und Ziele bezüglich EP stattfinden kann. So wird geäußert, Auswirkungen zeigten sich im Schul- und Gruppenleben "von alleine", sind "spürbar", sollten nicht "exakt" überprüft werden. Bestimmte Voraussetzungen müssten erfüllt sein, einerseits auf einer Beziehungs- / Vertrauensebene, andererseits hinsichtlich der "Reife" des Kindes. Andere meinen, Überprüfung sei ohnehin wichtiger Bestandteil von EP: Reflexion, Sich-immer-wieder-daran-erinnern, Erfahrungen weitergeben. Desweiteren sollten die gemachten Erfahrungen im Unterricht aufgegriffen werden, ein Austausch von Selbst- und Fremderfahrung stattfinden, z.B. in Form von Rollenspielen oder als langfristige thematische Umsetzung. Eine gemeinsame Planung von EP-Aktivitäten mit Kindern könne diesen Austauschprozess ebenfalls unterstützen.

Ein solcher Austausch müsse auf verschiedenen Ebenen stattfinden:

Kinder ßà Kinder

Lehrer ßà Kinder

Lehrer ßà Lehrer

Aufgabe der LehrerInnen sei es, Reflexionsmöglichkeiten zu entwickeln, anzupassen und zu verändern, den Organisationsrahmen im Team zu besprechen, festzulegen und zu modifizieren. Es könne sich hierfür beispielsweise ein Arbeitskreis EP gründen, an dem interessierte KollegInnen teilnehmen, deren Wunsch es ist, EP-Elemente anzubieten und darüber in einen intensiven Austausch zu kommen.

4. Sollen alle SchülerInnen an EP-Aktivitäten teilnehmen?

Einigkeit besteht in der Einschätzung, dass EP für alle SchülerInnen – Jungen wie Mädchen – etwas zu bieten hat und entsprechende Lernchancen bereitstellt. Dass SchülerInnen dafür zunächst einmal an einer solchen Veranstaltung teilnehmen solIten, ist allgemeine Überzeugung, inwieweit dies allerdings freiwillig, gedrängt oder erzwungen geschehen sollte, scheint noch nicht ausreichend geklärt: Obwohl die Lehrerschaft darin übereinstimmt, dass die Aussage von SchülerInnen, nicht zu wollen, nicht unbedingt heiße, dass sie nicht trotzdem oder gerade deshalb davon profitieren, dass man Leistung nur fördern könne, wenn man sie auch fordere, sind sie umgekehrt in nahezu gleicher Einmütigkeit davon überzeugt, dass niemand gedrängt werden dürfe, an seine Grenzen zu gehen, dass Willensäußerungen von SchülerInnen weitestmöglich respektiert werden sollten. Andererseits hat lediglich eine Person Zweifel daran, dass versierte PädagogInnen "Niederlagen" und Scheitern zum Erfolg wenden können.

Was folgt daraus? Fast die Hälfte (5) vertritt die Auffassung, dass EP nur in freiwilligen Veranstaltungen durchgeführt werden sollte. Einige (4) fürchten um Destabilisierungen von SchülerInnen, weshalb diese nicht teilnehmen sollten. Dennoch ist die überwiegende Mehrheit (10) der Ansicht, dass alle Schülerinnen mit den Möglichkeiten von EP konfrontiert werden sollten, da sonst Chancen verspielt werden könnten.

5. Welche Effekte werden in Hinblick auf Kollegium und Schule erwartet? Sollen alle LehrerInnen EP-Aktivitäten durchführen bzw. begleiten?

Die LehrerInnen wollen ihren SchülerInnen EP nicht vorenthalten, aber wollen nicht unbedingt alle selber zu ExpertInnen werden. Sofern die nötige Unterstützung geboten werde, entstünden zusätzliche Möglichkeiten, werde das Lehrangebot bereichert. Mit externen Fachkräften solle deshalb zusammengearbeitet werden.

EP leistet einen Beitrag zur Prägung des Schulprofils, eröffnet neue Ziele und Aufgaben und das ist gut so, auch wenn nicht alles jetzt und sofort umgesetzt werden kann. Dennoch meinen fast alle, dass sich das Kollegium nur vornehmen sollte, was auch zu schaffen ist (11), und sie fürchten die Gefahr, dass Dauerstress entsteht (8).

Ferner wird die Überzeugung allgemein geteilt, dass die Zusammenarbeit mit Kollegen sich verbessere und eine stärkere Vernetzung schulischen und außerschulischen Lernens zustande komme. Keine Sorge besteht vor Frontenbildung im Kollegium.

Mit dem Anspruch der Rückschulung in Regelschulen wird EP als verträglich gesehen (11), was jedoch im Blick auf das Ziel, den Hauptschulabschluss zu erlangen, einigen (3) durchaus fraglich erscheint. Vereinzelt (2) wird befürchtet, dass "die Stetigkeit, der feste Rahmen, die schutzgebende Struktur und Ordnung" gefährdet werde.

Ob die LehrerInnen mit ihrer Klasse jedes Abenteuer bestehen würden, wird sehr unterschiedlich beurteilt: Obwohl ein knappe Mehrheit (7) die Frage vorsichtig bejaht, streuen die Nennungen über die gesamte Breite, und es gibt auch einige, die dies recht deutlich (4) verneinen. Dies mag mit der eigenen Persönlichkeitsstruktur oder auch mit Vorerfahrungen zusammenhängen, denn die Mehrheit der LehrerInnen (9) kann nur da wirklich wirken, "womit (ihre) Seele fest verwoben ist". Andererseits werden die Gestaltungsmöglichkeiten als so groß angesehen, dass alle einen Weg zur EP finden können (11). Schließlich sieht die knappe Mehrheit (7) in der EP eine Methode, die lernbar ist, wie alle anderen auch.

Was folgt daraus? Fortbildung in diesem Bereich wünschen sich alle. Ausprobieren und Erfahrungen sammeln, bevor Nägel mit Köpfen gemacht werden, wollen die meisten (9). Dass sich einige fitmachen und die EP für andere mit übernehmen, wird zwar von der Hälfte befürwortet, aber von anderen (4) vehement abgelehnt. Eine curriculare Verankerung von EP als obligatem Bestandteil wird von einer knappen Mehrheit (7) gewünscht.

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4.3.2. Die Ergebnisse der AG’s:

4.3 Die Sicht des Kollegiums
        4.3.1. Auswertung der Fragebögen
        4.3.2 Die Ergebnisse der AG’s:
        4.3.3 Diskussion: Widersprüchlich, unreflektiert, dialektisch?
        4.3.4 Typologien

Ich stelle die Arbeitsgruppenergebnisse ebenfalls zusammenfassend aber unkommentiert vor. Die Formulierungen sind dabei teilweise aus den AG-Protokollen übernommen, die sich in zusammengefasster Form im Anhang finden.

Zunächst wurde Klärungsbedarf in Bezug auf den Begriff Erlebnispädagogik festgestellt. Zum einen besteht der Wunsch nach Klärung eines allgemeinen Verständnisses: Wo fängt EP an, hat dies notwendig etwas mit Angst, Ungewissem, Grenzerfahrung, Überwindung zu tun? Zum anderen muss das schulinterne Verständnis geklärt werden:

Welches ist unsere Erlebnispädagogik?

Einbettung von EP in der Schule

Einigkeit besteht im Willen, EP einen festen Platz an der Schule einzuräumen, wobei eine AG die "Extreme" davon ausgenommen sehen will. EP könne als "Lernbaustein", als weiteres konzeptionelles Element – wobei hier noch der Stellenwert zu klären wäre - sowohl in den regulären Unterricht eingebettet werden, wie auch als zusätzliches Angebot in Form von Projekten und Schullandheimaufenthalten stattfinden. Gerade für die "Kleinen" wird eine "Stetigkeit" eines solchen Angebotes gefordert, z.B. jeden Freitag vormittag.

Ep Aktivitäten können einen Ausgleich zu Sachzwängen bieten, besonders in der Oberstufe, und das vorhandene Bewegungs- und Outdoordefizit im Winter beheben.

Um die Einbettung von EP zu gewährleisten, wird die Gründung einer Arbeitsgruppe vorgeschlagen, die im kleineren Rahmen die konzeptionelle Verankerung und Umsetzungsvorschläge erarbeitet, welche dann im Kollegium thematisiert werden sollen.

Aktivitäten

Schullandheime mit ep Elementen sollten am Schuljahresbeginn liegen und könnten mit "Expertenunterstützung" (z.B. bei albErgo) stattfinden oder selber organisiert sein z.B. als Radtour mit Ziel und Gepäck, in einfacher Selbstversorgerhütte oder als Kanadiertour.

Im unterrichtlichen Rahmen könnten "Erlebnistouren" und Einheiten zur Sinneswahrnehmung gemacht werden (Wald, Wasser, Tiere, Winter), dies beinhaltet auch Möglichkeiten zu fächerverbindendem Arbeiten; es könnten im Sportunterricht Mut- und Vertrauensübungen durchgeführt werden und auch bei Zirkus und Schulbühne wird etwas gewagt, wenn SchülerInnen sich vor anderen, vor der Gruppe zeigen; bei "Lerngängen" (z.B. Brot backen) kann auch erlebt werden.

Es könnten auch Kletterkurse für eine kleine Gruppe veranstaltet werden, z.B. im einige Kilometer entfernten Klettergarten.

Ansonsten aber wird eine Arbeit im Klassenverband betont, weil dies SchülerInnen Sicherheit gibt.

Expertentum

Um etwas anbieten zu können, braucht es auch einschlägige Selbsterfahrung, weshalb regelmäßige Fortbildungen und pädagogische Tage zum Thema gewünscht werden.

Nicht alle können alles, und die Lehrer finden es schön, verschieden zu sein. Es sollte daher "kleine Experten" im Kollegium geben, die bestimmte Aktivitäten durchführen oder andere bei der Durchführung unterstützen können. Diese sollten sich gezielt fortbilden und ihre Neigungen und Interessen vertiefen.

Bei Aktionen, in denen mit Grenzsituationen gearbeitet wird, in denen "das Leben auf dem Spiel" steht, sollten speziell qualifizierte Experten von außerhalb hinzugezogen werden.
 

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4.3.3. Diskussion: Widersprüchlich, unreflektiert, dialektisch?

4.3 Die Sicht des Kollegiums
        4.3.1. Auswertung der Fragebögen
        4.3.2 Die Ergebnisse der AG’s:
        4.3.3 Diskussion: Widersprüchlich, unreflektiert, dialektisch?
        4.3.4 Typologien

Die Ergebnisse überraschen insgesamt dadurch, dass sie eine sehr weitgehende Zustimmung zu den ideologischen Begründungszusammenhängen von EP aufzeigen. Differenzen sind eigentlich erst da deutlicher zu spüren, wo es um Aussagen zur praktischen Umsetzung und das eigene Einbringen geht.

Ich habe anläßlich des Nachtreffens mit den LehrerInnen eine Liste von Fragen zusammengestellt, die sich aus der Auswertung der Befragung ergeben haben und deren Klärung mir für den weiteren Prozess bedeutsam erscheinen. Diese Fragen sind im Anhang dokumentiert.

Für eine organisatorische Einbindung eo Aktionen muss eine konkrete und differenzierte Analyse von und Festlegung auf bestimmte Vorhaben durchgeführt werden:

Manche Aussagen stehen zudem in deutlichen Widersprüchen zueinander, weshalb im Folgenden einige Themen genauer beleuchtet werden sollen.

Suchtprävention

Wiederholt findet man in der Literatur, dass Suchtprävention in Verbindung gebracht wird mit dem Schaffen "richtiger" Erlebnisse: Bergsteigen wird beispielsweise als "Edler Rausch" bezeichnet, der im Gegensatz zum Drogenrausch lange nachwirke und deshalb der Jugend nahegebracht werden solle, um sie vor Drogen zu schützen. "Erst wer den edlen Rausch in seiner Jugend nicht finde, wende sich oft anderen, ungesunden Formen von Sucht zu", meint der Innsbrucker Altbischof Reinhold Stecher, begeisterter Bergsteiger und Alpin-Ausbilder von mehr als 1000 Kindern (Ringendahl, 1998). Der Rausch an sich ist also nicht schlecht, nur der kurze, schnellvergehende, ohne eigene Leistung nur im Konsum erreichte und natürlich der gesundheitsschädigende. Ich habe daher gefragt, ob EP der Suchtprävention diene (Frage 36: 6 ja, 5 nein, 1 k.A., Streuung über die gesamte Breite).

Viele EP Aktionen werden von Jugendlichen gerade wegen ihres "Kicks" geliebt. Sie stehen jedoch immer in Gefahr, in den Sog der Gesetzmäßigkeiten des "Erlebnismarktes" in Sinne Schulzes (1992) zu geraten, dass also Jugendliche die Abnutzung des "Erlebniswertes" erfahren und der daraus folgenden Sucht nach der ständigen Steigerung der Reize, des Kitzels, der Spannung erliegen. Dies ist für Drogenkarrieren ein typisches Kennzeichen. Von daher könnte EP geradezu Suchtförderung bedeuten. In diese Richtung zielte die Aussage, der Effekt von EP sei die "Förderung der ständigen Suche nach dem ultimativen Kick: schneller, höher, weiter, higher..." (Nr. 23). 7 lehnten diese Aussage ab, 5 stimmten zu. Unerwarteterweise hatten 3 der 5 auch der Aussage zur Suchtprävention zugestimmt. Unreflektiert oder dialektisch? Diese Frage zieht sich durch dieses kleine Kapitel. Da sie an dieser Stelle nicht beantwortet werden kann, habe ich dies Thema in die Liste der zu klärenden Themen aufgenommen.

Sozialisation

Nicht eindeutig ist auch Bewertung des Beitrags von EP zur Aufarbeitung der Geschichte / von Sozialisationsproblemen von SchülerInnen (Nr. 8). Bei auffallender Konzentration um die Nulllinie herum (7 ja, 5 nein, 1 k.A.) stellte sich mir die Frage, ob das Kollegium in EP oder im eigenen Verständnis davon keine Möglichkeiten entdeckt oder ob sich die LehrerInnen für diesen Bereich "nicht zuständig" fühlen, vielleicht weil dies eher in eine therapeutische Richtung geht. Für einen Einsatz von EP im Übergangsfeld von Pädagogik und Therapie gibt es zumindest im Bereich Jugendhilfe zahlreiche Beispiele. Wie z.B. mit Hilfe von erlebnispädagogisch orientierten Tätigkeiten Lebensthemen zur Sprache gebracht werden können und wie durch Tätigkeiten Lebensthemen beeinflusst werden können, wird von Mollenhauer und Uhlendorff (1992) thematisiert.

Lehrerrolle

Der Durchschnittswert Null und eine Streuung über die gesamte Breite der möglichen Nennungen bei der Aussage: "Mit meiner Klasse bestehe ich jedes Abenteuer" (Nr. 65) gab mir zu denken. Vielleicht hängt dies mit dem Verständnis der Lehrerrolle zusammen, in der der Lehrer der "Macher" und Anleiter ist und derjenige, der im Zweifelsfall die Situation entschärfen kann. Güntner hat im Interview darüber gesprochen, wie sich bei bestimmten EP-Aktionen die Rolle des Lehrers ändert, er "Gleicher unter Gleichen" wird. In einer solchen Rolle kommen auch die Kompetenzen der SchülerInnen und ihr Beitrag zum Bestehen des Abenteuers zum Tragen. Aber vermutlich sind solche Erlebnisse so selten im Schulalltag zu finden, dass die LehrerInnen die Aussage eher so interpretiert haben: "Habe ich allein die Fähigkeit jedes Abenteuer zu bestehen und kann ich darüber hinaus noch eine ganze Klasse mitnehmen?". Falls meine Vermutungen stimmen, wäre es wünschenswert, dass LehrerInnen durch EP in Situationen geraten, in denen sie ihre Klasse als stark erleben können.

Es kann aber auch sein, dass die LehrerInnen damit ihren Unwillen über ein unglücklich formuliertes Statement ausgedrückt haben. Vielleicht hätte der Satz besser so lauten sollen: "Ich komme mit meiner Klasse aus jedem Abenteuer, auf das wir uns nach gründlicher Überlegung eingelassen haben, irgendwie wieder heil heraus und danach sind wir vermutlich auch ein bisschen klüger".

Freizeitgestaltung

Bemerkenswert, wenn vielleicht auch nicht gerade verwunderlich, ist, dass der Beitrag von EP zu einer selbst- und gesellschaftsverträglichen Freizeitgestaltung in der Wertung deutlich hinter den Zielen im Bereich Persönlichkeitsentwicklung und soziales Lernen zurück bleibt. Dies mag zum einen damit zusammenhängen, dass EP-Aktionen als zu "extrem" eingeschätzt werden, als dass sie ernsthaft zu einer selber gestaltbaren Freizeit taugen. Zum anderen könnte es sein, dass LehrerInnen den Bereich Freizeitverhalten nur vereinzelt im Blick haben, dies an einer E-Schule mit einer Tagesgruppeneinrichtung umso mehr, als dort ja bereits "Freizeit" pädagogisch gestaltet und betreut wird. Trotzdem darf an dieser Stelle die Frage erlaubt sein, ob es nicht geradezu eine Pflicht ist, Tätigkeiten, in denen Jugendliche sich Kraft und Stärke holen und die sie gemeinsam mit anderen solidarisch erleben, so zu gestalten, dass sie nicht nur im schulischen Betrieb Relevanz haben, sondern dass sie von Jugendlichen nachgebildet, ausgeübt und nicht zuletzt auch finanziert werden können.

Oder endet die "Zuständigkeit" von LehrerInnen am Ende der Schulzeit?

Gewalt

Eine LehrerIn äußerte, in der EP würden bisweilen Ängste mit "Gewalt" überwunden. Sie hatte dabei wohl die "Gewalt" im Blick, die sie sich selber hätte antun müssen, um sich zu überwinden. Das Gespräch, das ich mit Herrn Schwarz führte, enthält ja eine Passage zum Thema Gewalt  seitens des Lehrers, die ich den LehrerInnen vorgelesen habe. Deutlich wird, dass es zumindest einer starken Kraft bedarf, um Grenzen zu überschreiten, sei dies aus sich selbst heraus, durch Mithilfe der Gruppe oder vom pädagogischen Personal. Doch wo beginnt diese "Kraft" in "Gewalt" umzuschlagen?

Mir ist insgesamt eine deutlich widersprüchliche Beantwortung des Fragenkomplexes zum Thema Zwang und Freiwilligkeit aufgefallen: Einerseits sollen die SchülerInnen mit EP gefordert und konfrontiert werden, auf der anderen Seite soll auf keinen Fall zu irgendetwas gedrängt werden. Willensäußerungen sollen respektiert werden, obwohl die Überzeugung besteht, dass SchülerInnen nicht trotzdem oder gerade deswegen davon profitieren könnten.

Ich habe den LehrerInnen meine Bewertung dieser Widersprüchlichkeiten präsentiert: entweder hochgradig unreflektiert oder hochgradig dialektisch. Die LehrerInnen entschieden sich für Zweiteres und betonten, dass genau diese Dialektik so typisch sei für ihren Alltag an der E-Schule.

Ungewissheit

Ähnlich wird dies im Themenkomplex Ungewissheit, Offenheit, Unkalkulierbarkeit gesehen. Die Frage wurde mehrfach aufgeworfen, welch sicherer Rahmen hergestellt werden müsse, um sich auf so etwas einlassen zu können. Also auch hier wieder ein dialektisches Verhältnis, wie es typisch ist für EP. Thiersch (1993) stellt in diesem Zusammenhang fest, dass trotz aller pädagogischer Kompetenz und "handwerklicher Verläßlichkeit", "Abenteuer-/ Erlebnispädagogikimmer eine sehr heikle Balance zwischen Arrangement und Offenheit des Risikos, zwischen Planung und Wagnis bleibt". (ebd. S.46) Aus den Fragebögen und den Kommentaren wird deutlich, dass das Offene, das Unkontrollierbare LehrerInnen mit Unbehagen erfüllt und möglichst ausgeschaltet werden soll, z.B. wenn in Kommentaren angemerkt wird, dass bei entsprechender Abklärung von Zielen, sich Unsicherheiten verhindern ließen. Hier stellt sich mir die Frage, ob das Kollegium dieses Kernstück von EP – das Hinauswagen in Grenzbereiche und die Arbeit an dieser Grenze – nicht gerne aus "ihrer" EP ausklammern würde. Festzustellen, dass man selber nicht in diesen Feldern als Pädagoge tätig sein will, ist das eine, zu überlegen, ob so etwas dennoch für die Jugendlichen gewinnbringend ist und dann nach entsprechend kompetenten Personen Ausschau zu halten, ist das andere.

Eine Lehrerin berichtete während des Treffens von guten Erfahrungen mit der Kombination ganz unterschiedlicher Pädagogentypen bei Kajaktouren: Wenn eine der Begleitpersonen eher ängstlich, eine andere eher draufgängerisch ist, bieten sich verschiedenartige Zugangsmöglichkeiten zu unterschiedlichen Jugendlichen.
 
 

Lehrersicht, Schülersicht

Es mag naheliegen, dass sich LehrerInnen in ihren pädagogischen Planungen von ihren eigenen Erfahrungen und Anschauungsweisen leiten lassen. Zumindest im Falle von ep Arrangements scheinen die Zugangsweisen von Jugendlichen und LehrerInnen jedoch bisweilen recht verschieden zu sein. In den Gesprächen mit Herrn Mall und auch mit albErgo  ist dies bereits angeklungen. Mehrfach wurde berichtet, dass es gerade die SchülerInnen sind, die "Werbung" betreiben, Angebote einfordern und immer wieder teilnehmen wollen (Maier , Schwarz). Das geht soweit, dass im Jugendhilfebereich EP bisweilen als "Belohnung" (Aberle) eingesetzt wird. Auch die LehrerInnen haben ja vereinzelt bereits die Erfahrung gemacht, dass sie mit dem, was ihnen bei albErgo so gut gefallen hat (die ruhigen Dinge), bei den SchülerInnen nicht besonders gut landen konnten. Ich will nicht sagen, dass solch ruhige Elemente nicht etwas Gewinnbringendes auch gerade für die "Supercoolen" sind, aber bis dorthin ist meist ein weiter Weg, der eher mit "Action" beginnt.

Ob dabei "kleine Schritte", wie dies eine LehrerIn fordert, immer das Richtige sind, darf stark bezweifelt werden, denn in der EP wird nicht nach der Vorstellung des linearen und kontinuierlichen Wachstums gearbeitet, sondern hier geht es um plötzliche Umschläge, um Sprünge und Brüche. (An dieser Stelle ließe sich ein Exkurs zu den modernen Naturwissenschaften und Selbstorganisationstheorien machen oder auch zum radikalen Konstruktivismus; ich unterlasse dies, um nicht zu weit vom Thema abzuschweifen.)
 

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4.3.4. Typologien

4.3 Die Sicht des Kollegiums
        4.3.1. Auswertung der Fragebögen
        4.3.2 Die Ergebnisse der AG’s:
        4.3.3 Diskussion: Widersprüchlich, unreflektiert, dialektisch?
        4.3.4 Typologien
4.4 Die Sicht der Leitung
 

Die Auswertung lässt sich auch noch auf eine ganz andere Art gestalten, in dem verschiedene Typen, die in einem Kollegium einer sich reformierenden Schule üblicherweise zu finden sind, festgestellt werden. Hiller (1990, a) beschreibt drei verschiedene Typen: eine kleine Gruppe "Überzeugungstäter", eine größere Zahl von "Indifferenten" und einige "Oppositionelle" (siehe hierzu genauer Kapitel Schulentwicklung.

Bei der Ermittlung der Anzahl von Mitgliedern dieser Gruppen sind mir zwei Probleme bewusst: Zum einen kann dies, gerade in einem solch kleinen Kollegium, zu einer Etikettierung einzelner führen - obwohl dies nicht zwangsläufig schädlich sein muss, sondern auch zur Klärung von Positionen beitragen kann. Ein weiteres Problem ist, dass eine solche Zuordnung Trennlinien in einer Schärfe darstellt, wo es sich bisweilen um unscharfe Übergänge handelt. Wo fängt zum Beispiel die Opposition an und wo hören Zweifel auf?

Trotzdem scheint es mir hilfreich, bestimmte Positionen zu identifizieren. Es geht hier weniger um die Zuordnung zu bestimmten Personen, sondern vielmehr um das Aufzeigen inhaltlicher Positionen, die ernstgenommen werden müssen, weil sie nachweislich vorhanden sind.

So wähnen sich die "Überzeugungstäter" zwar immer auf der "moralisch guten" Seite. Sie haben Utopien, sie planen und entwerfen und sind "unheimlich" aktiv. Aber wie vermitteln sie ihre Tätigkeit ohne zu moralisieren, wie stellen sie Transparenz her? "Überzeugungstäter" sind oft ideologieblind, vielleicht sind sie geblendet von der "Lichtgestalt" Erlebnispädagogik, wie dies Hans-Dieter Güntner im Interview genannt hat. Hier kommt die produktive Funktion des "kritischen Korrektivs", wie Hiller es nennt, der "Oppositionellen" und der Zweifler zum Tragen. Dass diese Funktion notwendig ist, um keine unnötigen Fehler zu machen, habe ich bei dem Auswertungstreffen mit den LehrerInnen durch das Vorlesen der Passage im Güntner-Interview verdeutlicht, in der er über schlechte Erfahrung mit EP bei bestimmten Jugendlichen redet.

Um inhaltliche Positionen zu ermitteln, habe ich drei verschiedenen Positionen jeweils sechs der Statements, die ich dem Kollegium bei der Befragung vorgelegt hatte, zugeordnet. Ich habe in die Auswertung jene Stellungnahmen, die eine als signifikant anzusehende Abweichung in die entsprechende Richtung von mindestens "eins" vom (zwischen –3 und +3 liegenden) Mittelwert der vorgenommenen Wertungen aufweisen, einbezogen. Lassen sich diese mindestens dreimal einer Person entsprechend zuordnen, so unterstelle ich die Position als gegeben.

Wer eine Destabilisierung einzelner durch EP für ausgeschlossen (Nr. 43) und Misserfolgserlebnisse (Nr. 26) und Verunsicherungen (Nr. 38) für überaus unwahrscheinlich hält, wer einen sehr hohen Glauben an die Macht der pädagogischen Uminterpretation von "Niederlagen" zu Lernerfolgen hat (Nr. 52), wer zudem noch ein Ausprobieren und Erfahrung sammeln als ersten Schritt auf dem Weg zu verbindlicheren Formen ablehnt (Nr. 66) und die Gefahr von Dauerstress nicht sieht (Nr. 33), dem unterstelle ich die "Augen zu und durch" Position. Eine Person konnte ich zu allen sechs Statements zuordnen, eine viermal und eine weitere dreimal.

In analoger Weise habe ich die Position "Ideologiekritik" ermittelt. Hierfür habe ich folgende sechs Äußerungen gewählt: Die Meinung, dass EP nicht förderlich zur Erlangung des Hauptschulabschlusses ist (Nr. 21), dass ein Motivationsverlust für die alltäglichen Dinge entsteht (Nr. 5) und dass Stetigkeit und Ordnung gefährdet werden (Nr. 12), die Befürchtung, dass EP durchaus destabilisierend wirken kann (Nr. 43), dass gruppendynamische Prozesse unkontrollierbar werden (Nr. 7) und dass mit EP nicht empfehlenswerte, weil riskante Freizeitbeschäftigungen nahegebracht werden (Nr. 19), drücken eine deutliche Distanz zu den ideologischen Begründungen von EP-Aktionen aus. Eine Person mit 5 und eine mit 4 Nennungen konnte hier ermittelt werden.

Eine dritte Position habe ich als "zögerliche Praxis" bezeichnet. Die VertreterInnen dieser Position fürchten Dauerstress (Nr. 33) und sind deshalb vehement der Meinung, man solle sich nur vornehmen, was auch zu schaffen ist (Nr. 60). Es sollten auch durchaus nicht alle SchülerInnen mit EP konfrontiert werden (Nr. 49), vielmehr soll EP ausschließlich in freiwilligen Veranstaltungen durchgeführt werden (Nr. 46). Desweiteren sollte EP nicht als obligater Bestandteil curricular verankert werden (Nr. 64), sondern es sollten zunächst Erfahrungen gesammelt werden (Nr. 66). Eine Person konnte 5 der Aussagen zugeordnet werden, eine weitere viermal und drei weitere je dreimal.

Als Gesamtbild ergibt sich, dass in dem Kollegium von insgesamt 12 Personen, drei Personen eine gewisse Ideologieblindheit unterstellt werden muss. Zwei Personen melden deutliche Zweifel an den ideologischen Begründungszusammenhängen an. Diese beiden und drei weitere, also eine nicht ganz kleine Gruppe (5 von 12), plädieren zudem für eine vorsichtige, zurückhaltende Praxis. Es ließen sich die verbleibende 3 Personen der Hillerschen Kategorie der "Indifferenten" zurechnen; man könnte aber auch diejenige drei Personen, die zwar keine ideologischen Vorbehalte äußern, jedoch für eine vorsichtige Praxis plädieren, zu dieser Gruppe rechnen.

Dass der Erfolg von solchen Reformprojekten wesentlich von der Gunst der "Indifferenten" abhängt, darf nicht übersehen werden. Hiller geht zwar davon aus, dass die Gründe der "Indifferenten" so unterschiedlich sind, dass keine Vorhersagen möglich sind. Es ist aber deutlich geworden, dass im hier zu diskutierenden Fall ein Teil der Zweifel offensichtlich mit "Nachwehen" der Lehrerfortbildung bei albErgo und einer Unklarheit im Verständnis von EP begründet ist. Zumindest solche störende Faktoren gilt es zu beseitigen.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche Gelegenheiten, die Zweifler schließlich in eine Oppositionshaltung zu treiben; durch einen entsprechend konstruktiv-taktvollen und nicht moralisierenden Umgang mit den Unterschieden kann dies allerdings auch vermieden werden (vgl. Schubert 1998, S. 133-142).

Zur Realisierung von schulischen Reformprojekten hält Hiller (1990, a) es in jedem Falle für unabdingbar, dass sich zumindest eine wohlwollende Mehrheit für ein Vorhaben finden muss. Dass diese Mehrheit trotz mancher Bedenken vorhanden ist, eine einfache Mehrheit sogar deutlich übersteigt, ist aus der Beantwortung der Fragebögen zweifelsfrei zu erkennen. Dies entspricht auch meinem Eindruck von einem offenen und innovationswilligen Kollegium, den ich bei verschiedenen Gelegenheiten inzwischen gewonnen habe.

Die ermittelten Ergebnisse sollen also nicht die Basis einer Anklage sein, z.B. gegen die "Augen zu und durch" Tendenz der drei "Überzeugungstäter"; vielleicht ist eine gewisse Blindheit sogar nötig, um mit gesteigertem Kraftaufwand Innovationen durchzusetzen. Es soll aber deutlich werden, dass eine Umsetzung nur gelingen kann, wenn die unterschiedlichen Positionen in ein konstruktives Verhältnis gesetzt werden können, nicht nur um Fronten im Kollegium zu vermeiden sondern v.a. auch der Sache wegen. Es bedarf, neben dem absolut notwendigen Engagement einzelner, eben auch jener Personen, die aus einer gewissen inneren Distanz heraus beobachten und die erwähnte Funktion des "kritischen Korrektivs" erfüllen. Die Aufgabe, die sich hier an die KritikerInnen stellt, ist insofern heikel, als sie nur dann funktional ist, wenn die Kritik, trotz einer gewissen Distanz, vor einem grundsätzlich wohlwollenden Hintergrund vorgetragen wird. Es ist sicherlich nicht für viele Kollegien üblich, einen Austausch untereinander zu pflegen, der offen ist für das Aussprechen und Empfangen von solchermaßen "solidarischer Kritik".
 
 

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4.4. Die Sicht der Leitung

   (4.1 Acts und Facts)
   (4.2 EP an der Hannah-Arendt-Schule - Was bisher geschah)
4.3 Die Sicht des Kollegiums
        4.3.1. Auswertung der Fragebögen
        4.3.2 Die Ergebnisse der AG’s:
        4.3.3 Diskussion: Widersprüchlich, unreflektiert, dialektisch?
        4.3.4 Typologien
4.4 Die Sicht der Leitung
        4.4.1. Schulleitung
        4.4.2 Geschäftsführung
  (4.5 Konzeptionelle Überlegungen)
 

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4.4.1. Schulleitung

4.4 Die Sicht der Leitung
4.4.1. Schulleitung
4.4.2 Geschäftsführung

Abbildung 17

Wie bereits erwähnt, geht der Versuch, EP systematisch in das Konzept der Schule einzubinden, auf eine Initiative des Schulleiters zurück. Im Herbst 1998 legte er ein Diskussionspapier zum Entwurf einer "Oberstufenkonzeption" vor. Hierin werden verschiedene "Unterrichtsprinzipien als Lernbausteine" vorgestellt: handlungsorientierter Unterricht, Freiarbeit, Differenzierung als Alternative zu klassischer Beschulung, schulische und außerschulische Kooperation, ästhetische Erziehung und eben: "Erlebnispädagogik als Handlungsfeld in verschiedenen Lebensräumen". Diese könne in Form von Schullandheimaufenthalten, als Aufsuchen außerschulischer Lernorte und als "natursportliche Erlebnishandlungen" stattfinden, wobei hier "ICH – WIR – MITWELT – Erfahrungen" gemacht werden sollen (Schneckenburger-Fenkart 1998). Artur Schneckenburger-Fenkart bezieht sich hierbei auf einen Ansatz, wie er von Gerhard Hofer (1990) in seinem Buch: "Erlebnis Mitwelt – Neue Wege in der Umwelterziehung" vertreten wird. Besondere Chancen sieht er gerade im Hinblick auf die Erlangung des Hauptschulabschlusses und eine Orientierung auf das nachschulische Leben.

Ferner bezieht er sich explizit auf die von Hiller konzipierte "längerfristige Unterrichtsvorbereitung": "Aus Sicht der schulischen Organisation von Unterricht könnten dabei erlebnispädagogische Methoden in den von Hiller vorgeschlagenen "Schulzeitpartituren" ein inhaltlicher Bestandteil einer "Orientierung in Lebensbereichen" sein. Erlebnispädagogik und ihre Methoden stellen sicherlich keine Patentlösung für eine "realitätsnahe" Schule dar. Sie kann aber im Rahmen einer Öffnung der gegenwärtigen Schulrealität, etwa durch die Integration in die "Schulzeitpartitur", durchaus als Chance gesehen und genutzt werden, über natursportlich und erlebnisorientiertes Handeln, Jugendlichen die direkte Begegnung, das aktive Erkunden und die sinnliche Wahrnehmung der jeweiligen Lebensräume zu ermöglichen, sowie für sich selbst in der Auseinandersetzung mit der eigenen Körperlichkeit, in naturgebundenen Erfahrungsräumen mit hohem Ernstcharakter, bei gleichzeitiger Notwendigkeit von Konfliktregelungen und mitweltverantwortlichem Entscheidungshandeln in der Gruppe, wichtige Impulse im handlungsorientierten Lernen zu geben" (Schneckenburger-Fenkart 1994, S. 73).

Sein Verständnis von EP findet er repräsentiert in der Konzeption von albErgo e.V., wo er wie erwähnt Mitglied im Vorstand ist. AlbErgo ist es im Besonderen an einer ökologischen Betonung von EP gelegen.

Artur Schneckenburger-Fenkart organisierte deshalb im Herbst 1998 das pädagogische Wochenende bei albErgo und stellte es unter das Thema: "Erlebnispädagogik und Schule". Zentrale Fragestellungen waren dabei für ihn: Soll EP Lernbaustein an unserer Schule werden, soll dabei das Angebot von albErgo fester Bestandteil werden, wie sehen die Umsetzungsmöglichkeiten vor Ort, in Iznang aus?

Ich habe erwähnt, dass der Schulleiter die gleichen Fragen, die ich den AG’s gestellt hatte, ebenfalls beantwortet hat. Seine Äußerungen sowie verschiedene Gespräche bilden die Grundlage seiner hier skizzierten Vorstellungen.

EP soll als curricularer Bestandteil, als "Lernbaustein" fest verankert werden. Dies soll mit Priorität in der "Oberstufe" geschehen. Auch in der "Unterstufe" können Kinder "Mitwelterfahrungen" machen, aber die Jugendlichen in Klasse 9, und vielleicht auch 7 können diese Erfahrungen anders reflektieren und in Zusammenhang bringen mit für sie wichtigen Entscheidungen. Die 7. und 8. Klasse stellt die Jugendlichen vor zwei wichtige Entscheidungen: Zum einen gilt es, Perspektiven zu entwickeln, wie es nach der Schule weitergehen soll, welcher Beruf erlernt, wie und wovon gelebt werden soll.

Zum anderen ist es die Entscheidung: Bleibe ich in der Hannah-Arendt-Schule und mache dort den Hauptschulabschluss oder gehe ich zurück in die allgemeine Regelschule und versuche dort den Hauptschulabschluss zu machen oder wechsle ich in eine Förderschule. In diese beiden Entscheidungsfelder mit Hilfe von EP hineinzuwirken, hält der Schulleiter für erfolgversprechend.

Für alle Altersstufen ist der Aspekt der Gruppenfindung und Vertrauensbildung von Bedeutung. Für die "Unterstufe" und "Mittelstufe" könnte dies z.B. das Thema "Klettern - Gewalt: Ich / Wir und die Gruppe" sein.

EP Aktivitäten können zum einen als Schullandheimaufenthalte stattfinden aber auch im Schulalltag. Sie können in ein Projekt eingebettet sein, sie können zu festen Stundenplanzeiten stattfinden (z.B. im Sportunterricht) und sie können auf die Einbeziehung der schulischen Umgebung als Lernort ausgerichtet sein. Dabei kann mit "vertrauensstiftenden kleinen Erlebnissen" begonnen werden, die in wiederkehrende Arbeitsformen der Schule eingebettet sind.

Für "OberstufenschülerInnen" wäre z.B. auch eine Verbindung von Baumklettern mit Auftragsarbeiten nach Absprache mit dem Förster denkbar.

Eine Lehrerfortbildung zur EP soll regelmäßig (bei albErgo) stattfinden und mittelfristig sollten gemeinsame Berührungspunkte mit den BetreuerInnen aus den Tagesgruppen "ausgelotet" werden, um diese zunehmend in "Erlebnishandlungen" und Schullandheimaufenthalte einzubeziehen.

Hilfe von Experten wird benötigt bei "natursportlichen Erlebnishandlungen, wo Sicherheit als Hauptbestandteil der Aufsicht, einen qualifizierten Ausbildungsstand voraussetzt". (zit. aus Anhang)

Er selbst will sich einbringen durch die Teilnahme an Schullandheimaufenthalten und an konzeptionellen Planungsgruppen, durch die Begleitung und Planung von Lehrgängen und die Organisation und Gestaltung schulinterner Fortbildungen.
 
 

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4.4.2. Geschäftsführung

4.4 Die Sicht der Leitung
4.4.1. Schulleitung
4.4.2 Geschäftsführung
  (4.5 Konzeptionelle Überlegungen)

Der Geschäftsführer und pädagogischer Leiter der Tagesgruppen, Herr Winklar hat immer großes Interesse an Neuerungen, auch wenn die Vorstellung im Konkreten unterschiedlich sein mögen. Das wohlwollende Interesse am Thema Erlebnis könnte den Weg für gemeinsame Aktionen von Schule und "Nachmittag" ebnen helfen. Die nachfolgenden Aufzeichnungen des Gesprächs, das ich mit Herrn Winklar geführt habe, verdeutlichen dies.

"Eigentlich sind hier alle Mitarbeiter Erlebnispädagogen."

So wie er selbst als Kind gespielt und geklettert hat, wobei niemand auf die Idee gekommen wäre, das EP zu nennen, so wurde vieles auch in der Jugendhilfe gemacht. Dabei wurde nicht irgendein künstliches Erlebnis pädagogisch inszeniert, sondern es wurde gelebt, wilde Sachen wurden unternommen: "Risiko - das ist Leben".

Was ihn stört, ist dieses Künstliche: Künstliche Kletterwände statt auf den nächsten Baum zu klettern, das "Kickerlebnis" - mittlerweile ohnehin bestens vermarktet - anstelle von Unternehmungen mit Höhe- und Tiefpunkten, z.B. das Aushalten der Langeweile auf einem Weg zum Berggipfel, das übertriebene Sicherheitsbedürfnis, wie es am stärksten bei LehrerInnen zu finden ist, wodurch oftmals der Reiz der Aktion verlorengeht: "Wenn Erlebnis, dann richtig".

EP macht dann einen Sinn, wenn sie den Drang von Jugendlichen zu Neugier und Abenteuer aufgreift. Dabei sollten Aktionen so gestaltet werden, dass es einen "natürlichen Aufbau" gibt, dass "der Weg dazu führt" und nicht (nur) der Moment des Sich-Überwindens im Zentrum steht. Dann ist EP nichts anderes als das "natürliche Leben", und es gilt diese Elemente zu verinnerlichen und in die Arbeit mit hinein zu nehmen. So entsteht auch eine "natürliche Sicherheit", die Fähigkeit, sich und andere in ihrem Leistungsvermögen einzuschätzen. Dies bietet weit mehr Sicherheit als manche zwar befolgte, aber unverstandene Sicherheitsvorschrift. Dass es trotzdem selbstverständlich sein sollte, einschlägige Standards einzuhalten, bleibt davon unberührt.

EP darf keine losgelöste Veranstaltung mit externen Ausrichtern sein, sondern vielmehr integrierter Bestandteil des gesamten pädagogischen Settings.

"Jeder kann in irgendetwas der Beste sein" - der Leitspruch der Arbeitsgemeinschaft - gilt hier ebenso für das pädagogische Personal. Klettern, Gitarre, Handwerk etc. gehören zum Rüstzeug eines (Sozial-)Pädagogen. Dieses Stück seines Lebens bringt der Pädagoge mit in seine Arbeit ein.

Solche vorhandenen Ressourcen sollten innerhalb der Einrichtung weitergegeben werden, sollten der gegenseitigen Weiterbildung dienen. So können beispielsweise zwei Kollegen, die gut klettern können, dies als interne Fortbildung weitergeben, und so zu Multiplikatoren werden.

Dahinter liegt eine Möglichkeit, Gemeinsamkeiten zwischen Jugendhilfeeinrichtung und Schule zu finden, gegenseitig mehr Anerkennung, mehr Respekt füreinander zu entwickeln, sich schätzen zu lernen, denn: "Trennendes gibt’s genug".

So verstanden kann EP ein gewinnbringender Teil des Ganzen sein.

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