Inhaltsverzeichnis      Zurückblättern      Weiterblättern
2.3. Nachlese
2.3.1 Klassenkultur
2.3.2 Schulentwicklung
2.3.3 Umsetzungsformen, Freiwilligkeit & Verbindlichkeit
2.3.4 EP-Verständnis
2.3.5 Finanzierung
Einige Punkte greife ich im folgenden zusammenfassend auf. Es handelt sich um Themen, die in mehreren Gesprächen angeschnitten wurden. Natürlich findet einiges eine Entsprechung in der Literatur, weshalb ich gelegentlich Literaturbezüge ergänzt habe. Die Punkte stehen dabei in einem engen Zusammenhang zur Skizze einer erlebnisorientierten (Sonder-) Schule im nächsten Kapitel.
 

Inhaltsverzeichnis     Zurückblättern     Weiterblättern    Seitenanfang
2.3.1. Klassenkultur

2.3.1 Klassenkultur
2.3.2 Schulentwicklung
2.3.3 Umsetzungsformen, Freiwilligkeit & Verbindlichkeit
2.3.4 EP-Verständnis
2.3.5 Finanzierung

In den Gesprächen wird das Bild von Jugendlichen z.T. sehr negativ gezeichnet: Die Schüler von heute seien "gestört" (Schwarz), "egozentrisch und verwöhnt" (Zimmermann). Gründe hierfür lägen in ihren Lebensbedingungen, die durch den Verlust von praktischer Erfahrung (Schwarz)und einer "sozial deprivierten Primärsozialisation" (Herrmann) gekennzeichnet seien. Schule solle diese Defizite angehen und EP einen Beitrag dazu leisten.

Diese Einschätzung entspricht in etwa dem, was Kurt Hahn (o. J.) dazu bewogen hat, die "Erlebnistherapie" zu erfinden: Die Heilung der Individuen, die an den "gesellschaftlichen Verfallserscheinungen" erkrankt sind. Auch Güntner hat ja im Interview deutlich betont, dass es immer um die Behebung von Defiziten geht. Obwohl sich diese Defizite in den SchülerInnen ausdrücken und auch bei ihnen behoben werden sollen, wäre es falsch an dieser Stelle der EP zu unterstellen, sie sähe auch die Ursache für die Defizite in den Individuen. Dennoch muss festgestellt werden, dass, obwohl die Gründe hierfür in gesellschaftlichen Strukturen gesehen werden, soziologische Analysen seitens der EP eher selten zu finden sind und dass meist das Engagement für die Veränderung von Strukturen (vielleicht in realpolitischer Betrachtung der Verhältnisse) auf das unmittelbare Arbeits(um)feld beschränkt bleibt.

Vielfach wird beschrieben, dass eine neue Klassenkultur entsteht. Es entwickelt sich ein "emotionales Feld" (Maier), welches dann auch "normalen" Unterricht ermöglicht. Es entwickeln sich andere Beziehungen in der Klasse und zwischen LehrerInnen und SchülerInnen.

Sich gegenseitig auch als Privatperson erleben, macht den Lehrer zu einem "Mensch des Vertrauens" (Schwarz). Er wird in "brenzligen" Situationen als zuverlässig und berechenbar erlebt.

LehrerInnen erleben ihre SchülerInnen in ganz anderen Handlungsfeldern und können sich für SchülerInnen begeistern (Zimmermann).

SchülerInnen fühlen sich mit ihren Ängsten und Problemen ernstgenommen (Maier).

Ob beim Sichern des Partners oder dem Bau einer Blockhütte, SchülerInnen merken, dass sie gebraucht werden (Brodmann).

Eigentlich wird von allen immer wieder betont, dass Jugendliche sich selbst entdecken, Verborgenes, Ungewusstes und Unbewusstes bei sich und anderen wahrnehmen und dass sie motiviert sind, dass sie diese Aktionen wollen, bisweilen sogar einfordern. "Ich hätte nie gedacht, dass ..." so beginnen zahllose Erzählungen von selber gemachten oder beobachteten Situationen und diese Erfahrung des Entdeckens von Neuem, ist eine der zentralen Charakteristika erlebnispädagogischer Unternehmungen.

Leistungsbeurteilung:

Schule verteilt üblicherweise Noten. Bei EP ist dies nicht unbedingt der Fall. Durchgeführt in Form von Schullandheimaufenthalten oder als AG, wird meist auf Notengebung oder andere Formen dokumentierter Leistungsbeurteilung verzichtet.

Das muss nicht sein, Leistungsbeurteilung ist nicht unbedingt kontraproduktiv zu EP. Noten sind bisweilen ein "zusätzlicher motivationaler Anreiz" (Zimmermann), mit zunehmenden Alter kann hierbei Fremdeinschätzung durch Selbsteinschätzung ergänzt werden. Eine abgelegte Prüfung, z.B. in einem Kurs zur Sicherungstechnik beweist einen bestimmten Stand des Könnens. Eine öffentlich verliehene Urkunde, die die erfolgreiche Teilnahme an einer besonders herausragenden und herausfordernden Unternehmung bescheinigt, ist eine Auszeichnung für eine erbrachte Leistung (Rittmeyer).
 
 

Inhaltsverzeichnis     Zurückblättern     Weiterblättern    Seitenanfang
2.3.2. Schulentwicklung

2.3.1 Klassenkultur
2.3.2 Schulentwicklung
2.3.3 Umsetzungsformen, Freiwilligkeit & Verbindlichkeit
2.3.4 EP-Verständnis
2.3.5 Finanzierung

Schule als EP-Aktionsfeld für Lehrende? KollegInnen müssen "extrem belastbar" sein und geraten dabei immer wieder an den "Rand der Kräfte" (Zimmermann). Sie wollen sich weiterentwickeln statt sich zu langweilen, der "Kick"der"Highlights" bringt sie dazu, Neues auszuprobieren und den Alltag zu verändern, es verändert sich der "Ton im Haus" (Schwarz), es entstehen Beziehungen im Kollegium, Konflikte werden mit Hilfe von Supervision bearbeitet. Die Rolle von LehrerInnen verändert sich wie bereits erwähnt zum "Mensch des Vertrauens" (Schwarz), aber auch hin zum Organisator und Moderator des Unterrichtsgeschehens (Zimmermann).

Wenn auch bisweilen das "Deputatsdenken" noch störend weit verbreitet ist (Herrmann), so ist man doch auf dem Weg, das Schulprofil nachhaltig zu verändern. In solche Projekte fließen neben Zeit und Engagement, auch die vorhandenen Kompetenzen, die Hobbies, das eigene "Privatleben" mit ein. Fortbildungen werden genutzt, um Arbeitsschwerpunkte zu vertiefen und Kompetenzen zu erweitern.

EP scheint immer verbunden mit einem "innovativen Geist" an einer Schule. Entweder erzeugt EP diesen Geist, bringt einen "Stein ins Rollen" (Maier) oder die Schule steckt in einem Erneuerungsprozess und entdeckt in EP Möglichkeiten, die dazu passen.

Konzeptionen sind im Bereich Jugendhilfe die Regel, in der Schule die Ausnahme. Ein nach Altersstufen differenziertes und aufeinander aufbauendes Konzept zu entwickeln, wäre jedoch ein wünschenswertes Ziel (Zimmermann)

Hiller (1990, b) geht davon aus, dass Praktisches Lernen "andere Formen der Zeitnutzung von Schülern und Lehrern erforderlich (macht) als die übliche "Unterrichtsschule""(ebd. S. 414). (EP-Projekte stehen in dieser Hinsicht vor den gleichen Problemen. Vermutlich ist es sogar berechtigt, EP mit unter dem Begriff des Praktischen Lernens in einem weiteren Sinne zu fassen. Der amerikanische Begriff des "Experiential Learning", des Erfahrungslernens legt dies deutlich näher, als dies der in Deutschland übliche Begriff der Erlebnispädagogik tut.) Sollen solche Projekte dauerhaft in die zeitlichen Organisationsstrukturen einer Schule verankert werden, so bedeutet dies ein "Eingriff in die beruflichen und privaten Zeitnutzungsschemata von Lehrern". Je länger das neue Schema praktiziert wird, "desto klarer zeigen sich dessen belastende und unangenehme Aspekte und Konsequenzen" (ebd. S. 413f).

Hiller schlägt deshalb vor, "solche Formen der Veränderung als eindeutig befristete, klar terminierte Experimente auszuweisen, um nach Ablauf der vereinbarten Phasen Konsens zwischen den Beteiligten zu erzielen, wie weiter verfahren werden soll. Nach aller Erfahrung finden so befristete Experimente, ausgewiesene Provisorien also, in der Regel mehr Akzeptanz und können sich tatsächlich länger halten als Neuerungen, die als das schlechthin Bessere auf unbestimmte Zeit durchgesetzt werden sollen." (ebd. S.414)

Inwieweit EP ein fester Bestandteil des Schulprofils wird, hängt auch entscheidend von der Schulleitung ab. Es ist kein Zufall, dass in Altingen, wo der Schulleiter zu den treibenden Kräften gehört, so viel mehr an Projekten läuft und an Ideen geboren und verwirklicht wird, als beispielsweise an der Rohräckerschule, wo die Schulleitung zwar nicht dagegen, aber auch nicht dafür ist. Schubert (1998) bemerkt hierzu: "Projekte, die gegen den offenen oder versteckten Widerstand der Schulleitung durchgesetzt werden, scheitern über kurz oder lang."(ebd. S. 136)

Aber auch vom Kollegium hängt viel ab. Einen Minimalkonsens zu finden "wirklich klein, aber wirklich verbindlich" (Zimmermann), bietet eine gute Grundlage. Eine sehr weitgehende "kollegiale Kooperationsfähigkeit und ideologische Einmütigkeit (ist), wenn überhaupt, dann nur für sehr kurze Zeiträume herstellbar". (Hiller 1990, b S. 412) Meist bietet sich eher folgende Situation: Es gibt eine Gruppe von "reformengagierten Überzeugungstätern", der der Schulleiter angehört oder die sein besonderes Vertrauen genießt. Daneben gibt es eine größere Zahl "indifferenter Kolleginnen und Kollegen ..., die sich in den verschiedenen Phasen des Projekts in wechselnder Distanz zum Prozess befinden. Die Gründe dafür sind so vielschichtig, daß Vorhersagen unmöglich werden." Meist gibt es auch eine bisweilen einflussreiche Gruppe der "mehr oder weniger offen erklärten Opposition". Diese ist solange funktional, als es gelingt, darin übereinzukommen, dass "sie sich als ein kritisches Korrektiv des Prozesses begreift". Im Mindesten muss sich jedoch im Kollegium eine Mehrheit finden, die zu "wohlwollender Duldung" bereit ist. (ebd. S.413)
 
 

Inhaltsverzeichnis     Zurückblättern     Weiterblättern    Seitenanfang
2.3.3. Umsetzungsformen, Freiwilligkeit & Verbindlichkeit

2.3.1 Klassenkultur
2.3.2 Schulentwicklung
2.3.3 Umsetzungsformen, Freiwilligkeit & Verbindlichkeit
2.3.4 EP-Verständnis
2.3.5 Finanzierung

Formen der Umsetzung von EP in der Schule haben sich in den Gesprächen vielfältig präsentiert. Stichwortmäßig seien sie hier nochmals kurz zusammengefasst:

Das Verhältnis von Verbindlichkeit und Freiwilligkeit gestaltet sich hierbei recht unterschiedlich. Wird EP im Klassenverband betrieben, so stellt sich eine andere Situation dar als in einer selbstgewählten Gruppe, wo wesentlich weitergehende Vereinbarungen getroffen werden können. Rittmeyer  betont zudem, dass freiwillige Veranstaltungen dazu zwingen, attraktive Angebote bereitzustellen. Das Betonen von freiwilliger Teilnahme ist vor allem im Jugendhilfebereich vielfach thematisiert worden. Klawe und Bräuer (1998) bemerken hierzu: "Die Partizipation [am Entscheidungsprozess] aller Beteiligten, vor allem der Jugendlichen und ihrer Eltern ist nicht nur rechtlich vorgeschrieben, sondern um so notwendiger als ein Erfolg pädagogischer Leistungen, die auf eine bessere Problembewältigung und auf Verhaltensänderung angelegt sind, [die] Bereitschaft, den pädagogischen Prozess mitzugestalten, (voraussetzt)." (ebd. S. 182)

Auch Thiersch (1993) konstatiert: "Elementare Voraussetzung für das Gelingen eines abenteuerpädagogischen Unternehmens ist die Freiwilligkeit der Beteiligten." Und: Freiwilligkeit "muß hergestellt werden, - und das ist oft der schwierigere Teil der Arbeit: Freiwilligkeit als aktive, kräftige, willige Beteiligung ist ja nicht nur eine Sache des Willens, sie ist Sache des Zusammenspiels von Willen, Kompetenz und Absprachen, - sie ist Sache der Entwicklung eines Projekts, der Entwicklung im Prozess." (ebd. S.49)

Im schulischen Bereich handelt es sich oftmals um Veranstaltungen, die mit einer ganzen Klasse unternommen werden und wo die Teilnahme daran erst einmal als etwas Selbstverständliches vorausgesetzt wird. Umso wichtiger wird es zu wissen, wo Ausstiegsoptionen sind und dies mit den SchülerInnen auch so zu verhandeln. Dass dies in Unternehmungen, die besonders weit weg bzw. in echter Wildnis stattfinden, schwerer zu realisieren ist, als in gemäßigten Arrangements liegt auf der Hand. (Aus diesem Grund haben sich beispielsweise die PädagogInnen von albErgo entschieden, nicht im Alpenraum ihre Angebote zu arrangieren, sondern in der vergleichsweise "zahmen" Mittelgebirgslandschaft der schwäbischen Alb (vgl. albErgo o.J. (1)). Ebenso hat das Vorhandensein einer Menge von objektiven Gefahren Auswirkungen auf die Möglichkeit selbstständiger Durchführung einzelner Aktionen durch die Jugendlichen.)

Freiwilligkeit kann umgekehrt jedoch auch nicht Unverbindlichkeit bedeuten. Der Abschluß eines Vertrages wurde von Herrn Rittmeyer  bereits erwähnt. Im amerikanischen "Projekt Adventure" (PA) ist er an zentraler Stelle in Form des "Full Value Contract" zu finden. Er enthält drei Selbstverpflichtungen: 1. "Die Vereinbarung zusammenzuarbeiten als eine Gruppe und in Richtung der Erreichung von individuellen Zielen und Gruppenzielen." 2. "Die Vereinbarung, verlässlich bestimmte Sicherheits- und Verhaltens-Grundregeln zu beachten", und 3. "Die Vereinbarung, feedback zu geben und anzunehmen, positives wie negatives, sowie an Verhaltensänderungen zu arbeiten, wenn es notwendig ist"(Feierabend 1997, S.112).

Es bleibt jedoch festzustellen, dass es immer ein Moment von "Gewalt" in EP-Settings gibt: in Form von Selbstüberwindung, von Gruppendruck (oder besser Gruppenkraft) oder seitens des pädagogischen Personals. Die kleine Geschichte von Herrn Schwarz hat dies verdeutlicht. Ohne dies scheint es oft nicht möglich zu sein, sich in Grenzbereiche hinauszuwagen. Ob man dies negativ als Gewalt benennt oder als Kraftakt bzw. Unterstützung, ändert im Kern der Sache nichts. Viele Sportler tun übrigens etwas Ähnliches, wenn sie sich für eine bestimmte Zeit dem Diktat und dem Plan eines Trainers unterwerfen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

Ein weiteres kann festgestellt werden, dass sich mit einer deutlich heterogen Gruppenzusammensetzung hinsichtlich Vorerfahrung, Leistungsvermögen und Alter positive Ergebnisse erzielen lassen. Differenzierte Anforderungen ermöglichen eine größere Selbstständigkeit bei der verantwortlichen Übernahme einzelner Aufgaben (Nieschak).

Der Bericht über eine "Adventure-Ag" der Gesamtschule Herxheim, im Buch von Gilsdorf und Volkert (1999) kann dies verdeutlichen: Die AG hat eine Menge draußen unternommen, Mountainbike, Erkundungstouren, Werkstatttage, Floßbau, Klettern etc.. Mehrere AG-Mitglieder, die in der 9. Klasse des AG-Lehrers waren, wollten die Erfahrungen intensivieren. Daraus entstand die Projektwoche "Just for fun?", in der die ganze Klasse 5 Tage in die Pfalz fuhr. Die sehr unterschiedlichen Vorkenntnisse und Leistungsstände wurden konstruktiv aufgegriffen, in dem AG-Mitglieder ihre MitschülerInnen in Kletter- und Sicherungstechniken einwiesen, an schwierigen Stellen weiterhalfen und verantwortliche Sicherungsaufgaben übernahmen. (vgl. ebd. S.290-321)
 

Inhaltsverzeichnis     Zurückblättern     Weiterblättern    Seitenanfang
2.3.4. EP-Verständnis

2.3.1 Klassenkultur
2.3.2 Schulentwicklung
2.3.3 Umsetzungsformen, Freiwilligkeit & Verbindlichkeit
2.3.4 EP-Verständnis
2.3.5 Finanzierung

Die Art und Weise der Umsetzung hängt auch mit dem jeweiligen Verständnis von EP zusammen.

Dass EP eine kompensatorische Funktion erfüllt, durch die Bewegungsorientierung einen Ausgleich zum verkopften Lernen schafft, ist wohl allgemeiner Konsens. Dass dies sogar die ideale Prüfungsvorbereitung sein kann (Aberle), findet vielleicht nicht die gleiche Zustimmung.

Teilweise wird ein ausschließlich situativer und handlungsorientierter Ansatz verfolgt (Brodmann, Schwarz, Aberle). Andere betonen die Chance einer langfristigen (auch unterrichtlichen) Auseinandersetzung mit dem Erlebten, welche auch eine Dokumentation und Präsentation einschließt (Rittmeyer, Nieschak, Zimmermann).

Die Arbeit mit Bildern, mit Metaphern, wird als gute Chance zur Bearbeitung von oder Vorbereitung auf bestimmte problematische Situationen des Alltags- und Berufslebens genannt (Maier).

Diese Ansätze entsprechen dem, was in der EP hinsichtlich verschiedener Wirkmodelle bisweilen höchst konträr diskutiert wird. Es scheint töricht, dabei ein Modell gegen ein anderes stellen zu wollen, die verschiedenen Ansätze miteinander zu versöhnen und in ein gemeinsames Konzept einzubinden, biete die größten Erfolgschancen, betont Herr Mall. So können Einseitigkeiten und Blindheiten vermieden werden und "Nebenwirkungen" können besser ins Blickfeld geraten.

Die Modelle seien im folgenden kurz dargestellt:

Das erste Modell wird gern mit dem Motto: "The mountains speak for themselves" betitelt. Hier wirkt die Situation. Es bedarf zwar einer Einführung in Fragen der technischen Bewerkstelligung und der Sicherheit seitens des Guides, aber im wesentlichen ist es die "Sprache der Berge" (Schwiersch / Kraus 1996), die Berge als stille Meister. Die Wirkung beruht dabei zum einen auf dem Erleben von Naturräumen und -gewalten, zum anderen auf den Anforderungen, die sich aus der Situation ergeben und die zumeist mit anderen gemeinsam zu bewerkstelligen sind.

Historisch ist es der älteste Ansatz erlebnispädagogischen Handelns. Was Kurt Hahn systematisch zu einem Schlüssel seiner Pädagogik machte, nutzten und nutzen mehr oder weniger bewusst viele PädagogInnen in der Arbeit mit Kindern und v.a. Jugendlichen. Auch die Aktivitäten vieler Jugendgruppen, nicht nur der Pfadfinder, sind hiervon geprägt.

Eine reflektierte EP hat an dieser Stelle zu fragen: Welchen Ort wähle ich aus, welche "Sprache" sprechen welche Orte (Berg, Wildnis, Turnhalle, Großstadt), wie wirken diese Orte auf die Teilnehmer. Eine zweite Frage ist die nach der Art und Härte der Herausforderungen der Situation, eine pädagogische Entscheidung für einen bestimmten Weg, z.B. den des "Matschens" oder den des "Kletterns", wie es Herr Stöppler formuliert hat .

In den modernen Kurzschulen, in der internationalen Outward-Bound Bewegung, wurde diesem ersten Ansatz die Reflexion als weitere Einheit hinzugefügt. Anette Reiners (1995) bezeichnet dies daher als das "Outward-Bound-Plus" Modell.

Da die Ohren des modernen Menschen die Sprache der Berge nicht mehr so ohne weiteres verstehen, braucht es Anleiter, die dafür in der Situation sensibilisieren und im Anschluss gemeinsam mit den Teilnehmern die Situation auswerten: Was ist geschehen, was waren die (emotionalen) Hintergründe, was folgt daraus, was war vorhersehbar, was wurde erwartet, was hat überrascht?

Der Ort des Lernens hat sich verschoben, ein erheblicher Teil findet nunmehr in den Reflexionseinheiten statt. Die Schwierigkeiten, die eine solche Zweiteilung nach sich ziehen kann, sind im Kapitel 3.3.5 dargelegt.

Derzeit viel diskutiert ist der Ansatz von Stephen Bacon (1998) der die "Macht von Metaphern" analysiert und den bewussten und gezielten Einsatz in Outward-Bound Kursen vorschlägt. Es geht ihm dabei zum einen um eine Bewusstheit für die Art und Weise der Einführung, Kommentierung und Begleitung einer Situation durch den Anleiter. Zum anderen gilt es das Bewusstsein für die latente Wirkung der Situation, der Aufgabe zu entwickeln. In Anlehnung an C. G. Jung beschreibt er 10 Archetypen, die als verdeckte Botschaft in einer EP-Aktion liegen können, z.B. Der Heilige Ort, Der Einsiedler, Der Held, Die Himmelfahrt ... .

Die Analysen dienen dem Anleiter nun dazu eine Aktion so zu inszenieren, dass sie eine Isomorphie, eine strukturelle Gleichheit zu einer bestimmten Alltagssituation besitzt. In Kenntnis der Probleme, die die Teilnehmergruppe zu bearbeiten hat, werden die Situationen so arrangiert und eingeführt, dass sie unmittelbar auf ein bestimmtes Lernziel hin ausgerichtet sind.

Der Lernort hat sich nun wieder stärker in die Situation hinein verlagert, die aber wesentlich stärker und bewusster geplant ist. Wurde dem orginären Erlebnis im zweiten Ansatz ein pädagogisches Anhängsel verliehen, wird nun, so könnte man böse formulieren, das Erlebnis für pädagogische Ziele instrumentalisiert.

Aber wir hatten uns ja vorgenommen, die Modelle nicht gegeneinander aufzuspielen, sondern die in ihnen gegebenen Möglichkeiten zu sehen und für die Inszenierung zu nutzen.

Ob Erfolge planbar und nachprüfbar sind, insbesondere der Transfer von Erfahrungen in den Alltag, wird immer wieder heiß diskutiert. Einige Anmerkungen hierzu sind bereits in der Einleitung gemacht worden.

Ulf Händel (1995) ist da radikal: "Das Erlebnis unterwirft sich keiner (Wirkungs)Analyse. Es ist seinem Wesen nach ein Mysterium" (ebd. S.26). Händel war viele Jahre Leiter der Outward-Bound Schule in Berchtesgarden, von daher wusste er um die Möglichkeiten des pädagogisch genutzten Erlebnisses, aber er warnt eindringlich: "Wir müssen das Erlebnis immer wieder als ein Ereignis sehen, in dem jeder etwas Eigenes findet, das durch den Einzelnen einmalig ist und nicht als Sensation, als austauschbaren Baustein oder gar als Turnübung ... . Teile eines Erlebnisses oder das Erlebnis selbst im Metaplan präzisieren zu wollen hieße, die Poesie der Sache zu verderben." (ebd. S.23)

Mollenhauer und Uhlendorff (1992) plädieren dagegen für sorgfältige Analysen (siehe auch Einleitung). Dennoch geben sie zu bedenken: "Woher können wir denn wissen, daß die Erinnerung an ein solches halbes oder dreiviertel Jahr [die Autoren haben ein ep Langzeitprojekt im Jugendhilfebereich wissenschaftlich begleitet] nicht viel später - auch für die, die nun gerade in Jugendstrafe festgehalten werden - auch noch eine Wirkung entfaltet, die in der empiristischen Effektivitäts-Kontrolle von Ausgangsbedingung, Treatment-Arrangement und Lernzielrealisierung gar nicht erfaßt werden kann?. Für den, der sich pädagogisches Handeln nach den Regeln des Machbarkeits-Mythos vorstellt, ist das freilich unbefriedigend. Es gibt aber auch die pädagogische Maxime, nach der die erfüllte Gegenwart einer nur schwer kalkulierbaren Zukunft nicht aufgeopfert werden dürfe und also das Beurteilungskriterium nicht im künftigen Effekt, sondern in der befriedigend und sinnhaft erlebten Gegenwart liegt" (ebd. S.16).

Wenn zudem auch Herr Mall  recht hat, dass 50% der Erfolge ungeplant sind, so wird es überaus wichtig, den Blick auch für dieses Ungeplante zu schärfen.

Doch: "Nur wer einen Plan hat, kann flexibel sein", so lautete der Leitspruch der LehrerInnen einer Klasse an einer Schule für geistig Behinderte, die mit mir gemeinsam eine EP-Woche gestalteten. Dies soll das Schlusswort zum Thema sein.

EP wird zudem als Grundhaltung begriffen, die die Strukturen der gesamten Institution verändern (Rittmeyer). Sie schlägt sich, neben der spezifischen Phänomenologie von EP-Aktionen auch in anderen Formen pädagogischen Tuns nieder.

Dies ist sicherlich nicht der "Paradigmenwechsel" der Pädagogik schlechthin, wie Michl (1995) dies propagiert und auch gewiss keine Neuerfindung, sondern eine Zusammenstellung und Aktualisierung von Wohlbekanntem jedoch vor dem Hintergrund einer erprobten und spezifischen Praxis. Einige Charakteristika seien kurz genannt:

(siehe hierzu auch Gilsdorf 1999, S. 24-65, Güntner 1994 a, S. 3-34)
 

Inhaltsverzeichnis     Zurückblättern     Weiterblättern    Seitenanfang
2.3.5. Finanzierung

2.3.1 Klassenkultur
2.3.2 Schulentwicklung
2.3.3 Umsetzungsformen, Freiwilligkeit & Verbindlichkeit
2.3.4 EP-Verständnis
2.3.5 Finanzierung

Die Kosten für Unternehmungen variieren durch die Vielfalt von Umsetzungsformen enorm. Kostenfaktoren sind die Zusammenarbeit mit Profis (Erlebnispädagogen, Bergführern), mit Halbprofessionellen (Vereine) und je nach Ausgestaltung und Vereinbarung die eigenen Personalkosten. Der Gesamtbedarf an Eigen- und Fremdpersonal schwankt zwischen 1:2 und 1:6 je nach Anforderungen der geplanten Aktionen, den Möglichkeiten der SchülerInnen und den personellen Ressourcen.

Ein weiterer Kostenfaktor ist die Anschaffung oder Ausleihe benötigten Materials. Das fängt bisweilen beim Regenponcho und festen Schuhen an und geht bis zu spezieller Adventure-Sport Ausrüstung wie z.B. Klettergurte, Seile und Karabiner.

Hinzu kommen Kosten für Fahrten, Unterkunft und Verpflegung. Durch einfache Unterkunft, durch Selbstversorgung und kurze Distanzen lässt sich hier viel sparen. Lebensmittelspenden von Eltern, eine gesponserte Busfahrt oder ein Tausch Arbeit gegen Übernachtung (Brodmann) tun ein Übriges.

Einnahmen können Verkäufe oder Dienstleistungen von SchülerInnen sein, Sachmittel- oder Geldspenden über einen Förderverein, Zuschüsse des Schulamtes für kooperative Begegnungen oder Unterstützungsleistungen aus dem Jugendhilfebereich.

Trotz der Unterschiede, waren sich alle einig, dass die Finanzierung kein unlösbares Problem darstellt. Die "Nebeneffekte" der Geldbeschaffung stellen darüber hinaus auch für sich einen Lerngewinn dar.

Dass die Kosten solcher Unternehmungen niedrig gehalten werden sollen, sehen manche nicht nur als ein Problem der momentanen Verfügbarkeit von Geldern. Dies wird auch als Bedingung für eine später einmal selber von den jungen Menschen zu gestaltende Freizeit betrachtet.

Ich fasse nochmals einige Möglichkeiten zur Kostensenkung zusammen:

Als Einnahmequellen kommen in Frage:


 Inhaltsverzeichnis     Zurückblättern     Weiterblättern    Seitenanfang